12.6.09

Neues Bi­lanz­recht in Kraft: Mil­li­ar­den­ent­las­tung für den deut­schen Mit­tel­stand

"(Am 29.05.2009 trat) ... das Ge­setz zur Mo­der­ni­sie­rung des Bi­lanz­rechts (BilMoG) in Kraft (BGBl. I 2009, 1102). Das Ge­setz ent­las­tet die Wirt­schaft fi­nan­zi­ell in er­heb­li­chem Um­fang und stärkt das Bi­lanz­recht des Han­dels­ge­setz­bu­ches für den Wett­be­werb mit in­ter­na­tio­na­len Rech­nungs­le­gungs­stan­dards. Das be­währ­te, kos­ten­güns­ti­ge und ein­fa­che HGB-​Bi­lanz­recht wird im Kern bei­be­hal­ten. Der han­dels­recht­li­che Jah­res­ab­schluss bleibt die Grund­la­ge der Ge­winn­aus­schüt­tung und der steu­er­li­chen Ge­winn­er­mitt­lung.

Die wich­tigs­ten Punk­te des Ge­setz­ent­wurfs im Ein­zel­nen:

1. De­re­gu­lie­rung

Die Neu­re­ge­lung ent­las­tet die Un­ter­neh­men von ver­meid­ba­rem Bi­lan­zie­rungs­auf­wand. Mit­tel­stän­di­sche Ein­zel­kauf­leu­te, die nur einen klei­nen Ge­schäfts­be­trieb un­ter­hal­ten, wer­den von der han­dels­recht­li­chen Buch­füh­rungs-​, In­ven­tur-​ und Bi­lan­zie­rungs­pflicht be­freit. Für Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten wie AG und GmbH wer­den eben­falls Be­frei­un­gen und Er­leich­te­run­gen bei der Bi­lan­zie­rung vor­ge­se­hen. Ins­ge­samt ist auf­grund die­ser Maß­nah­men mit einer Sen­kung der Bi­lan­zie­rungs­kos­ten in Höhe von 1,3 Mrd. Euro zu rech­nen. Laut Jah­res­be­richt der Bun­des­re­gie­rung 2008 zum Bü­ro­kra­tie­ab­bau er­gibt sich unter Be­rück­sich­ti­gung auch der Buch­füh­rungs-​ und In­ven­tur­er­leich­te­run­gen nach den Be­rech­nun­gen des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes ins­ge­samt sogar ein Ein­spar­po­ten­ti­al von etwa 2,5 Mrd. Euro pro Jahr. Kon­kret geht es um fol­gen­de Maß­nah­men:

- Ein­zel­kauf­leu­te, die be­stimm­te Schwel­len­wer­te (500.000,- Euro Um­satz und 50.000,- Euro Ge­winn pro Ge­schäfts­jahr) nicht über­schrei­ten, wer­den von der Ver­pflich­tung zur Buch­füh­rung, In­ven­tur und Bi­lan­zie­rung nach den han­dels­recht­li­chen Vor­schrif­ten be­freit.
- Die Grö­ßen­klas­sen, die dar­über ent­schei­den, wel­che In­for­ma­ti­ons­pflich­ten ein Un­ter­neh­men tref­fen, wer­den an­ge­ho­ben: Die Schwel­len­wer­te für Bi­lanz­sum­me und Um­satz­er­lö­se in § 267 HGB wer­den um 20% er­höht. So kom­men mehr Un­ter­neh­men als bis­her in den Ge­nuss der Er­leich­te­run­gen, die für klei­ne und mit­tel­gro­ße Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten gel­ten. Der Auf­wand bei der han­del­recht­li­chen Rech­nungs­le­gung wird ver­rin­gert. Ab­hän­gig davon, ob eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft als klein, mit­tel­groß und groß ein­zu­stu­fen ist, muss sie mehr oder we­ni­ger weit rei­chen­de In­for­ma­ti­ons­pflich­ten er­fül­len. Klei­ne Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten brau­chen z. B. ihren Jah­res­ab­schluss nicht von einem Ab­schluss­prü­fer prü­fen zu las­sen und müs­sen nur die Bi­lanz, nicht aber die Ge­winn-​ und Ver­lust­rech­nung of­fen­le­gen. Mit­tel­gro­ße Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten kön­nen auf eine Reihe von An­ga­ben ver­zich­ten, die große Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten ma­chen müs­sen, und dür­fen Bi­lanz­po­si­tio­nen zu­sam­men­fas­sen.
- Als klein gel­ten künf­tig sol­che Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten, die nicht mehr als rd. 4,8 Mio. Euro Bi­lanz­sum­me (bis­her rd. 4 Mio. Euro), rd. 9,8 Mio. Euro. Um­satz­er­lö­se (bis­her rd. 8 Mio. Euro), bzw. 50 Ar­beit­neh­mer im Jah­res­durch­schnitt auf­wei­sen. Von den Kri­te­ri­en muss eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft min­des­tens zwei er­fül­len, um als klein klas­si­fi­ziert zu wer­den.
- Als mit­tel­groß gel­ten künf­tig sol­che Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten, die nicht mehr als rd. 19,2 Mio. Euro Bi­lanz­sum­me (bis­her rd. 16 Mio. Euro), rd. 38,5 Mio. ¤ Um­satz­er­lö­se (bis­her rd. 32 Mio. Euro), bzw. 250 Ar­beit­neh­mer im Jah­res­durch­schnitt auf­wei­sen.

2. Ver­bes­se­rung der Aus­sa­ge­kraft der HGB-​Ab­schlüs­se

Das mo­der­ni­sier­te HGB-​Bi­lanz­recht ist auch eine Ant­wort auf die In­ter­na­tio­nal Fi­nan­ci­al Ac­coun­ting Stan­dards (IFRS), die vom In­ter­na­tio­nal Ac­coun­ting Stan­dards Board (IASB) her­aus­ge­ge­ben wer­den. Die IFRS sind auf ka­pi­tal­markt­ori­en­tier­te Un­ter­neh­men zu­ge­schnit­ten. Sie die­nen dem In­for­ma­ti­ons­be­dürf­nis von Fi­nanz­ana­lys­ten, be­rufs­mä­ßi­gen In­ves­to­ren und an­de­ren Ka­pi­tal­markt­teil­neh­mern.

Die weit über­wie­gen­de An­zahl der rech­nungs­le­gungs­pflich­ti­gen deut­schen Un­ter­neh­men nimmt den Ka­pi­tal­markt aber gar nicht in An­spruch. Es ist des­halb nicht zu recht­fer­ti­gen, alle rech­nungs­le­gungs­pflich­ti­gen Un­ter­neh­men auf die kos­ten­in­ten­si­ven und hoch­kom­ple­xen IFRS zu ver­pflich­ten. Auch der vom IASB be­ra­te­ne Ent­wurf eines Stan­dards "IFRS für klei­ne und mit­tel­gro­ße Un­ter­neh­men" ist keine gute Al­ter­na­ti­ve für die Auf­stel­lung eines in­for­ma­ti­ven Jah­res­ab­schlus­ses. Die Pra­xis in Deutsch­land hat den Ent­wurf des IASB scharf kri­ti­siert, weil seine An­wen­dung - im Ver­hält­nis zum HGB-​Bi­lanz­recht - immer noch zu kom­pli­ziert und kos­ten­träch­tig wäre.

Das Bi­lanz­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz wählt des­halb einen an­de­ren An­satz: Es baut das be­währ­te HGB-​Bi­lanz­recht zu einem Re­gel­werk aus, das den in­ter­na­tio­na­len Rech­nungs­le­gungs­stan­dards gleich­wer­tig, aber we­sent­lich kos­ten­güns­ti­ger und in der Pra­xis ein­fa­cher zu hand­ha­ben ist. Ins­be­son­de­re bleibt es dabei, dass die HGB-​Bi­lanz Grund­la­ge der steu­er­li­chen Ge­winn­er­mitt­lung und der Aus­schüt­tungs­be­mes­sung ist. Dies er­mög­licht ins­be­son­de­re den mit­tel­stän­di­schen Un­ter­neh­men, wei­ter­hin nur ein Re­chen­werk - die sog. Ein­heits­bi­lanz - auf­zu­stel­len, das Grund­la­ge für alle ge­nann­ten Zwe­cke ist.

Mit fol­gen­den Maß­nah­men wird die Aus­sa­ge­kraft des han­dels­recht­li­chen Jah­res­ab­schlus­ses ver­bes­sert:

- Selbst­ge­schaf­fe­ne im­ma­te­ri­el­le Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de des An­la­ge­ver­mö­gens
Im­ma­te­ri­el­le selbst­ge­schaf­fe­ne Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de des An­la­ge­ver­mö­gens wie zum Bei­spiel Pa­ten­te oder Know-​how kön­nen künf­tig in der HGB-​Bi­lanz an­ge­setzt wer­den. Das ist vor allem für in­no­va­ti­ve Un­ter­neh­men wich­tig, die in­ten­siv for­schen und ent­wi­ckeln - bei­spiels­wei­se die che­mi­sche oder phar­ma­zeu­ti­sche In­dus­trie oder die Au­to­mo­bil­in­dus­trie nebst ihren Zu­lie­fe­rern. Ins­be­son­de­re pro­fi­tie­ren auch klei­ne und so­ge­nann­te Start-​up-​Un­ter­neh­men von der Vor­schrift. Auch sie kön­nen ihre Ent­wick­lun­gen - ihr Po­ten­ti­al - künf­tig in der Han­dels­bi­lanz zei­gen. Da­durch kön­nen die Un­ter­neh­men ihre Ei­gen­ka­pi­tal­ba­sis aus­bau­en und ihre Fä­hig­keit ver­bes­sern, sich am Markt kos­ten­güns­tig wei­te­res Ka­pi­tal zu be­schaf­fen. Steu­er­lich blei­ben die Auf­wen­dun­gen nach wie vor ab­zugs­fä­hig; sie ste­hen auch nicht für die Ge­winn­aus­schüt­tung zur Ver­fü­gung. Das för­dert die Wett­be­werbs­fä­hig­keit Deutsch­lands als Stand­ort für in­no­va­ti­ve Un­ter­neh­men.

Bei­spie­le:
(1) Ein gro­ßer Teil der in der phar­ma­zeu­ti­schen In­dus­trie an­fal­len­den Kos­ten ent­fällt auf die Er­for­schung und Ent­wick­lung neuer Me­di­ka­men­te. Wenn sich künf­tig bei­spiels­wei­se aus kli­ni­schen Stu­di­en er­gibt, dass ein Me­di­ka­ment die Markt­zu­las­sung er­hal­ten wird, kön­nen die Ent­wick­lungs­kos­ten als Her­stel­lungs­kos­ten eines selbst er­stell­ten Ver­mö­gens­ge­gen­stan­des des An­la­ge­ver­mö­gens, bei­spiel­wei­se eines Pa­tents oder von ein­fa­chem Know-​how ak­ti­viert wer­den. Das heißt, die Ge­winn-​ und Ver­lust­rech­nung des Un­ter­neh­mens wird nicht be­las­tet, und der bi­lan­zi­el­le Ge­winn fällt höher aus.
(2) Ein Start-​up-​Un­ter­neh­men, das sich bei­spiels­wei­se mit der Ent­wick­lung von Soft­ware be­fasst, kann die Kos­ten für die Ent­wick­lung der Soft­ware als Her­stel­lungs­kos­ten der Soft­ware in­ner­halb der selbst­er­stell­ten im­ma­te­ri­el­len Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de des An­la­ge­ver­mö­gens aus­wei­sen und muss diese nicht, wie bis­her, auf­wands­wirk­sam er­fas­sen.

- Be­wer­tung von Fi­nanz­in­stru­men­ten zum Markt­wert
Kre­dit­in­sti­tu­te müs­sen Fi­nanz­in­stru­men­te wie Ak­ti­en, Schuld­ver­schrei­bun­gen, Fonds­an­tei­le und De­ri­va­te, so­weit sie im Han­dels­be­stand ge­hal­ten wer­den, künf­tig zum Bi­lanz­stich­tag grund­sätz­lich mit dem Markt­wert (Fair Value) be­wer­ten. Das ent­spricht der bis­he­ri­gen Pra­xis der Kre­dit­in­sti­tu­te, ver­ein­facht und ver­ein­heit­licht die han­dels­recht­li­che Rech­nungs­le­gung, ist in­ter­na­tio­nal üb­lich und wird nun auch im HGB-​Bi­lanz­recht ver­an­kert. Da­durch er­höht sich die Aus­sa­ge­kraft des Jah­res­ab­schlus­ses im Hin­blick auf je­der­zeit rea­li­sier­ba­re Ge­win­ne und Ver­lus­te. Die Kre­dit­in­sti­tu­te müs­sen dabei einen an­ge­mes­se­nen Ri­si­ko­ab­schlag be­rück­sich­ti­gen und einen aus­schüt­tungs­ge­sperr­ten Son­der­pos­ten als zu­sätz­li­chen Ri­si­ko­puf­fer bil­den. Die­ser Son­der­pos­ten ist in guten Zei­ten aus einem Teil der Han­dels­ge­win­ne auf­zu­bau­en und kann in schlech­te­ren Zei­ten zum Aus­gleich von Han­dels­ver­lus­ten ver­wen­det wer­den. Er wirkt daher an­ti­zy­klisch. Hier sind Kon­se­quen­zen aus der Fi­nanz­markt­kri­se ge­zo­gen wor­den.

Bei­spiel:
Eine Bank kauft 10 Ak­ti­en zu einem Kurs von 100 Euro pro Aktie. Die Ak­ti­en wur­den mit der Ziel­set­zung er­wor­ben, Kurs­ge­win­ne zu er­zie­len und kön­nen bör­sen­täg­lich wie­der ver­kauft wer­den. Zum Bi­lanz­stich­tag haben die Ak­ti­en einen Kurs von 125 Euro pro Aktie. Bei Be­wer­tung der Ak­ti­en zum Markt­wert (125 Euro) ab­züg­lich eines Ri­si­ko­ab­schlags (z.B. 5 Euro) sind sie in der Bi­lanz mit ins­ge­samt 1.200 Euro (10 Stück x 120 Euro) an­zu­set­zen. Es er­gibt sich für die Bank ein Ge­winn von 200 Euro. Von den Ge­samt­han­dels­er­trä­gen sind dann noch 10 % in einen ge­sperr­ten Son­der­pos­ten ein­zu­stel­len, der bei Han­dels­ver­lus­ten auf­ge­löst wer­den kann.

- Än­de­rung der Rück­stel­lungs­be­wer­tung
Rück­stel­lun­gen von Un­ter­neh­men für künf­ti­ge Ver­pflich­tun­gen wer­den in Zu­kunft rea­lis­ti­scher be­wer­tet. Die ge­gen­wär­ti­ge bi­lanz­recht­li­che Be­hand­lung von Rück­stel­lun­gen ist in der öf­f­ent­li­chen Dis­kus­si­on immer wie­der als Schwach­stel­le der han­dels­recht­li­chen Rech­nungs­le­gung be­zeich­net wor­den. Ge­ra­de bei Pen­si­ons­rück­stel­lun­gen lasse sich der­zeit die wahre Be­las­tung der Un­ter­neh­men nicht aus der han­dels­recht­li­chen Rech­nungs­le­gung ab­le­sen, weil die bis­he­ri­gen Wert­an­sät­ze nach über­ein­stim­men­der Ein­schät­zung zu nied­rig seien. Bei der Be­wer­tung der Rück­stel­lun­gen sol­len des­halb künf­ti­ge Ent­wick­lun­gen (Lohn-, Preis-​ und Per­so­nal­ent­wick­lun­gen) stär­ker als bis­her be­rück­sich­tigt wer­den. Zudem sind die Rück­stel­lun­gen künf­tig ab­zu­zin­sen. Die Be­wer­tung der Rück­stel­lun­gen wird also dy­na­mi­siert. Die Neu­re­ge­lung wird zu­min­dest bei den Pen­si­ons­rück­stel­lun­gen zu einer Er­hö­hung füh­ren. Dies ist aber un­er­läss­lich, wenn man zu einer rea­li­täts­ge­rech­ten Rück­stel­lungs­be­wer­tung ge­lan­gen will. Um diese Ef­fek­te ab­zu­mil­dern, sieht das Ge­setz die Mög­lich­keit vor, die Rück­stel­lung über einen Zeit­raum von meh­re­ren Jah­ren an­zu­sam­meln. Die steu­er­li­chen Vor­schrif­ten in die­sem Punkt blei­ben un­ver­än­dert, so dass es nicht zu Steu­er­aus­fäl­len kom­men wird.

Bei­spiel:
Der Grund und Boden eines Un­ter­neh­mens ist mit Che­mi­ka­li­en ver­seucht. Die Be­hör­den geben dem Un­ter­neh­men auf, die Alt­last zu be­sei­ti­gen, so­bald das Un­ter­neh­men sei­nen Ge­schäfts­be­trieb ein­stellt. Damit ist in fünf Jah­ren zu rech­nen. Zum Bi­lanz­stich­tag be­tra­gen die Kos­ten für den ein­zu­set­zen­den Bag­ger 100 Euro /Std. Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die Bag­ger­stun­de in fünf Jah­ren 120 Euro kos­tet. Nach der bis­he­ri­gen Rechts­la­ge ist für die Be­mes­sung der Rück­stel­lung - dem Stich­tags­prin­zip fol­gend - von 100 Euro /Std. aus­zu­ge­hen, künf­tig hin­ge­gen von 120 Euro, weil die künf­ti­gen Ent­wick­lun­gen zu be­rück­sich­ti­gen sind.

- Ab­schaf­fung nicht mehr zeit­ge­mä­ßer Wahl­rech­te
Dar­über hin­aus wird das HGB-​Bi­lanz­recht vom "Bal­last" der ver­gan­ge­nen Jahre be­freit. Nicht mehr zeit­ge­mä­ße Bi­lan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten, die den Un­ter­neh­men ein­ge­räumt wur­den, wer­den ein­ge­schränkt oder auf­ge­ho­ben. Diese be­ein­träch­tig­ten zum Teil den In­for­ma­ti­ons­ge­halt und die Ver­gleich­bar­keit von Jah­res­ab­schlüs­sen. Dies gilt bei­spiels­wei­se für die auch steu­er­lich nicht an­er­kann­te Mög­lich­keit, Rück­stel­lun­gen für ei­ge­nen künf­ti­gen In­stand­set­zungs­auf­wand zu bil­den.

Bei­spiel:
Ein Un­ter­neh­men re­no­viert die ihm ge­hö­ren­den Ver­wal­tungs-​ und Be­triebs­ge­bäu­de im Ab­stand von zehn Jah­ren. Den zur Durch­füh­rung der Re­no­vie­rung er­for­der­li­chen Be­trag sam­melt das Un­ter­neh­men - ohne dass be­reits Ver­ein­ba­run­gen über die Durch­füh­rung der Re­no­vie­rung mit Drit­ten ge­trof­fen wor­den wären - über die Dauer der zehn Jahre in einer steu­er­lich nicht an­er­kann­ten Auf­wands­rück­stel­lung an. Der­ar­ti­ge steu­er­lich nicht an­er­kann­te Auf­wands­rück­stel­lun­gen kön­nen künf­tig nicht mehr ge­bil­det wer­den.

- Trans­pa­renz be­züg­lich der Zweck­ge­sell­schaf­ten
Das Ge­setz ent­hält auch Re­ge­lun­gen für mehr In­for­ma­ti­on und Trans­pa­renz im han­dels­bi­lan­zi­el­len Um­gang mit Zweck­ge­sell­schaf­ten. Die wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on der Zweck­ge­sell­schaft und das wirt­schaft­li­che Ri­si­ko für den Kon­zern sol­len bes­ser aus dem Jah­res­ab­schluss des Kon­zerns ab­zu­le­sen sein. Zum einen müs­sen die Un­ter­neh­men künf­tig schon dann in den Kon­zern­ab­schluss ein­be­zo­gen wer­den, wenn das Mut­ter­un­ter­neh­men un­mit­tel-​ oder mit­tel­bar einen be­herr­schen­den Ein­fluss aus­üben kann. Das ist ins­be­son­de­re dann der Fall, wenn es bei wirt­schaft­li­cher Be­trach­tungs­wei­se die Mehr­heit der Ri­si­ken und Chan­cen der Zweck­ge­sell­schaft trägt. Bis­her kommt es dar­auf an, ob das Mut­ter­un­ter­neh­men an der Zweck­ge­sell­schaft eine ge­sell­schafts­recht­li­che Be­tei­li­gung hält. Zum an­de­ren müs­sen die Un­ter­neh­men künf­tig im An­hang über Art, Zweck und fi­nan­zi­el­le Aus­wir­kun­gen von nicht in der Bi­lanz er­schei­nen­den Ge­schäf­ten be­rich­ten, so­weit dies für die Be­ur­tei­lung der Fi­nanz­la­ge not­wen­dig ist. Damit wird eine EU-​recht­li­che Vor­ga­be um­ge­setzt. Au­ßer­dem haben die Un­ter­neh­men künf­tig dar­zu­le­gen, wel­che Über­le­gun­gen ihrer Ri­si­ko­ein­schät­zung im Hin­blick auf Even­tual­ver­bind­lich­kei­ten zu­grun­de lie­gen. Hier ge­nügt es nicht, den Ab­schluss­adres­sa­ten nur über die Summe der be­ste­hen­den Even­tual­ver­bind­lich­kei­ten zu in­for­mie­ren, die da­hin­ter ste­hen­den Ri­si­ken und die Ein­schät­zung ihres Ein­tritts aber im Dun­keln zu las­sen.

- Wei­te­re, aus EU-​recht­li­chen Vor­ga­ben re­sul­tie­ren­de Än­de­run­gen
Sons­ti­ge EU-​recht­li­chen Vor­ga­ben, ins­be­son­de­re die Vor­ga­ben zum Un­ter­neh­mens­füh­rungs­be­richt und zur Ein­rich­tung eines Prü­fungs­aus­schus­ses wer­den "eins zu eins" - also mit ge­ringst mög­li­cher Be­las­tung für die Un­ter­neh­men - in deut­sches Recht um­ge­setzt. Zum Bei­spiel müs­sen ka­pi­tal­markt­ori­en­tier­te Un­ter­neh­men, die be­reits ein Auf­sichts­or­gan haben, je­den­falls dann kei­nen Prü­fungs­aus­schuss ein­rich­ten, wenn des­sen Auf­ga­ben durch das Auf­sichts­or­gan wahr­ge­nom­men wer­den. Auch wer­den den Un­ter­neh­men keine Vor­ga­ben für die Ein­rich­tung eines in­ter­nen Ri­si­ko­ma­nage­ment­sys­tems ge­macht. Die Ent­schei­dung über die Ein­rich­tung und die Art und den Um­fang eines Ri­si­ko­ma­nage­ment­sys­tems liegt im Auf­ga­ben­be­reich der ge­schäfts­füh­ren­den Or­ga­ne eines Un­ter­neh­mens.

3. In­kraft­tre­ten

Das Ge­setz ist am 29. Mai 2009 in Kraft ge­tre­ten. Die neuen Bi­lan­zie­rungs­re­ge­lun­gen sind ver­pflich­tend für Ge­schäfts­jah­re ab dem 1. Ja­nu­ar 2010 an­zu­wen­den. Sie kön­nen frei­wil­lig be­reits für den Ab­schluss 2009 an­ge­wen­det wer­den, je­doch nur als Ge­samt­heit. Ei­ni­ge Vor­schrif­ten, ins­be­son­de­re zur Um­set­zung EU-​recht­li­cher Vor­ga­ben, gel­ten ver­pflich­tend schon für das Ge­schäfts­jahr 2009. Bi­lan­zie­rungs­er­leich­te­run­gen für klei­ne und mit­tel­gro­ße Un­ter­neh­men kön­nen - so­weit dies noch mög­lich ist - schon für das Ge­schäfts­jahr 2008 in An­spruch ge­nom­men wer­den.

Glos­sar:

An­la­ge­ver­mö­gen: Be­stand­teil des Ver­mö­gens, also auf der Ak­tiv­sei­te der Bi­lanz aus­ge­wie­sen. Das An­la­ge­ver­mö­gen ist das Ver­mö­gen, das dazu be­stimmt ist, dem Ge­schäfts­be­trieb dau­ernd zu die­nen. Dazu ge­hö­ren bei­spiels­wei­se die Pro­duk­ti­ons­ge­bäu­de und Pro­duk­ti­ons­ma­schi­nen eines Pro­duk­ti­ons­un­ter­neh­mens.

Bi­lanz: Ge­gen­über­stel­lung des Ver­mö­gens (Ak­tiv­sei­te der Bi­lanz) sowie der Schul­den und des Ei­gen­ka­pi­tals (Pas­siv­sei­te der Bi­lanz) eines Kauf­manns zum Ende eines Ge­schäfts­jah­res.

De­ri­va­te: Zu­sam­men­fas­sen­der Be­griff für Fi­nanz­pro­duk­te wie Op­tio­nen, Swaps oder For­wards zum Kauf oder Ver­kauf von bei­spiels­wei­se Wert­pa­pie­ren auf Ter­min.

Ei­gen­ka­pi­tal: Ver­mö­gen - Schul­den = Ei­gen­ka­pi­tal.

Even­tual­ver­bind­lich­kei­ten: Auf ver­trag­li­cher Grund­la­ge be­ru­hen­de, recht­lich mög­li­che In­an­spruch­nah­me des Kauf­manns, mit der aus Sicht des Ab­schluss­stich­ta­ges nicht kon­kret zu rech­nen ist.

Fi­nanz­in­stru­men­te: Ver­trag­li­che Ver­pflich­tun­gen, die mit­tel-​ oder un­mit­tel­bar auf den Aus­tausch von Zah­lungs­mit­teln ge­rich­tet sind (Ak­ti­en, Schuld­ver­schrei­bun­gen, De­ri­va­te).

For­wards: Ver­pflich­ten­der Ver­trag über den Kauf oder Ver­kauf von Wert­pa­pie­ren o.ä. zu einem vor­her be­stimm­te Preis auf Ter­min.

Ge­winn-​ und Ver­lust­rech­nung: Ge­gen­über­stel­lung der Auf­wen­dun­gen und Er­trä­ge des Ge­schäfts­jah­res.

Han­dels­be­stand: Fi­nanz­in­stru­men­te des Han­dels­be­stan­des sind die­je­ni­gen Fi­nanz­in­stru­men­te von Kre­dit­in­sti­tu­ten, die weder zur Li­qui­di­täts­re­ser­ve noch zum An­la­ge­be­stand zäh­len.

In­ter­na­tio­na­le Rech­nungs­le­gungs­stan­dards: Hier ver­wandt als syn­onym für die In­ter­na­tio­nal Fi­nan­ci­al Re­por­ting Stan­dards (IFRS). Die IFRS sind in­ner­halb der EU für ka­pi­tal­markt­ori­en­tier­te Un­ter­neh­men, die einen Kon­zern­ab­schluss auf­stel­len müs­sen, ver­bind­lich.

In­ter­na­tio­nal Ac­coun­ting Stan­dards Board (IASB): Pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­te Ein­rich­tung mit Sitz in Lon­don, die die (In­ter­na­tio­nal Fi­nan­ci­al Re­por­ting Stan­dards (IFRS) er­ar­bei­tet. Ziel des IASB ist es, die IFRS als welt­weit ein­heit­lich an­zu­wen­den­de Rech­nungs­le­gungs­stan­dards durch­zu­set­zen.

Jah­res­ab­schluss: Ober­be­griff; er um­fasst die Bi­lanz, die Ge­winn-​ und Ver­lust­rech­nung und - bei Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten - den An­hang.

Ka­pi­tal­markt­ori­en­tier­tes Un­ter­neh­men: Un­ter­neh­men, das Ak­ti­en oder Schuld­ver­schrei­bun­gen zum Han­del auf einem ge­re­gel­ten Markt aus­ge­ge­ben hat.

Ge­re­gel­ter Markt: Markt­seg­ment an den deut­schen Bör­sen.

Op­tio­nen: (Wahl-)Recht zum Kauf eines Wert­pa­piers zu einem vor­her be­stimm­ten Preis.

Swaps: Ge­schäft über den Aus­tausch von Zah­lungs­strö­men (Bsp. Tausch eines fixen gegen einen va­ria­blen Zins).

Zweck­ge­sell­schaft: Selb­stän­di­ger Rechts­trä­ger (meist jur. Per­son oder Stif­tung), der zur Er­rei­chung eines eng be­grenz­ten und genau de­fi­nier­ten Ziels des Mut­ter­un­ter­neh­mens dient. ..."

Quelle: Pressemitteilung des BMJ vom 29.05.2009