26.4.08

Bundesregierung geht gegen räuberische Aktionäre vor

"... Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat schärfere Maßnahmen gegen missbräuchliche Aktionärsklagen vorgestellt. Der Referentenentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie sieht außerdem vor, dass Aktionäre bei börsennotierten Aktiengesellschaften ihre Stimme künftig auch elektronisch abgeben können und stärkt die Präsenz in der Hauptversammlung.

„Das Geschäftsmodell von klagefreudigen Aktionären, denen es nicht um das gemeinsame Ganze geht, sondern die mit ihren Klagen lediglich eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen, hat ausgedient. Unsere Vorschläge stellen aber sicher, dass auch Kleinaktionäre nach wie vor gegen schwere Rechtsverletzungen vorgehen und die Umsetzung solcher Beschlüsse verhindern können“, sagte Zypries. „Außerdem öffnen wir die Hauptversammlung für den Einsatz zeitgemäßer Medien. Die Möglichkeit zur Stimmabgabe per Internet über die Grenzen hinweg stärkt die Aktionärsrechte ist ein gutes Signal für ein nachhaltiges Investitionsklima in Europa. Das sorgt für stabile Kapitalmärkte und kann den Einfluss der reinen Finanzinvestoren begrenzen. Langfristige Unternehmensstrategien können so wieder größeres Gewicht gegenüber kurzfristiger Gewinnmaximierung erlangen“, so Zypries weiter.

1) Maßnahmen gegen missbräuchliche Aktionärsklagen

Zur Bekämpfung missbräuchlicher Aktionärsklagen wurde bereits durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) ein Freigabeverfahren bei der Anfechtungsklage eingeführt. Das Freigabeverfahren hat bereits Wirkung gezeigt, soll aber in zweierlei Hinsicht präzisiert und ergänzt werden:

- Die Interessenabwägung, die die Gerichte bei der Freigabeentscheidung treffen müssen, wird gesetzlich präzisiert. Dadurch erhalten die Gerichte eine klare Entscheidungslinie, um legitime von missbräuchlichen Anfechtungsklagen trennen zu können. Außerdem ist vorgesehen, dass Aktionäre mit geringem Aktienbesitz (unter 100 Euro Nennbetrag), die weniger gravierende Gesetzes- oder Satzungsverstöße geltend machen, gegen die überwiegende Mehrheit der anderen Aktionäre Hauptversammlungsbeschlüsse nicht mehr aufhalten können. Sie können nur Schadensersatz beanspruchen.

- Zum anderen wird Versuchen ein Riegel vorgeschoben, das als Eilverfahren konzipierte Freigabeverfahren zu verzögern. Künftig erstreckt sich die Vollmacht des Vertreters für den Anfechtungsprozess auch auf das Freigabeverfahren. So können gerichtliche Dokumente im Freigabeverfahren an denjenigen zugestellt werden, der den Kläger im Anfechtungsprozess vertritt. Zeitaufwändige Zustellungen an den Kläger selbst, der mitunter ausländische Wohnsitze etwa in China oder Dubai angibt, werden entbehrlich. Die Arbeit der Gerichte im Freigabeverfahren wird dadurch erheblich erleichtert und beschleunigt.

2) Erleichterung der Stimmabgabe

Das Gesetz passt das Aktienrecht an das Internetzeitalter an. Künftig können Aktiengesellschaften bei Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung moderne Medien in weitaus größerem Umfang nutzen. So verbessert sich die Informationslage für Aktionäre börsennotierter Gesellschaften und erleichtert ihnen die grenzüberschreitende Ausübung von Aktionärsrechten. Das stärkt vor allem Kleinanleger und verhindert Zufallsmehrheiten in der Hauptversammlung vor allem dann, wenn die Aktionäre weltweit verstreut sind und ihnen eine persönliche Teilnahme an der Hauptversammlung zu umständlich und zu teuer ist.

- Eine Hauptversammlung kann zwar schon nach geltendem Recht in Ton und Bild übertragen werden. Will der Aktionär aktiv an der Hauptversammlung teilnehmen, muss er bislang aber entweder selbst anwesend sein oder einem Anwesenden bevollmächtigen. Künftig kann die Aktiengesellschaft ihren Aktionären in der Satzung das Recht einräumen, sich zur Hauptversammlung online zuzuschalten. Der Aktionär kann insbesondere sein Stimm- und Fragerecht – je nach Ausgestaltung der Satzung - wie ein physisch anwesender Teilnehmer in Echtzeit online ausüben. Dadurch können z. B. ein amerikanischer und ein australischer Aktionär jeweils vom heimischen Wohnzimmer aus an einer Hauptversammlung teilnehmen, die in Berlin stattfindet (wenn die Zeitverschiebung sie nicht stört).

- Verbessert wird auch die Nutzung neuer Medien bei der Information der Aktionäre vor und während der Hauptversammlung.

o Börsennotierte Gesellschaften müssen die hauptversammlungsrelevanten Unterlagen (z. B. die Tagesordnung oder Anträge zur Beschlussfassung) ab dem Zeitpunkt der Einberufung auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlichen. So bekommen interessierte Aktionären unabhängig von ihrem Wohnsitz einen einfachen und effizienten Zugang zu den Informationen.

o Auf der anderen Seite wird dafür gesorgt, dass Aktionäre, die kein Interesse an den Belangen der Gesellschaft haben, nicht mit unerwünschten Informationen überhäuft werden. Künftig müssen hauptversammlungsrelevante Mitteilungen nur dann an den Aktionär geschickt werden, wenn er das verlangt hat.

o Auch der Weg der Informationen von der Gesellschaft zum Aktionär wird modernisiert. Die Hauptversammlung kann entscheiden, ob sie den (kostenintensiven) Papierversand bevorzugt oder die Kreditinstitute die Mitteilungen in elektronischer Form z. B. per E-Mail übermitteln können. Heutzutage verwahren Aktionäre ihre Aktien typischerweise nicht mehr im eigenen Tresor oder Bankschließfach, sondern unterhalten ein Wertpapierdepot bei einer Bank. Deshalb soll die Übermittlung der hauptversammlungsrelevanten Mitteilungen durch die Depotbanken flexibler gestaltet werden. Da die Gesellschaft und damit letztlich die Aktionäre die Kosten für Druck und Versand der Unterlagen tragen, profitieren alle von dem geringerem Kostenaufwand. Das Einsparpotential beträgt ca. 50 Mio. Euro jährlich.

o Schließlich wird die Auslegung hauptversammlungsrelevanter Unterlagen vereinfacht. Statt die Unterlagen in Papierform in den Geschäftsräumen auszulegen und auf Verlangen Abschriften zu erteilen, können die Aktiengesellschaften die Unterlagen auf ihrer Internetseite veröffentlichen. In der Hauptversammlung selbst müssen keine Papierkopien mehr ausgelegt werden, wenn die Aktionäre elektronischen Zugang zu den Unterlagen erhalten, z. B. durch Computer-Terminals.

Anlass dieser Änderungen ist die Richtlinie 2007/36/EG vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (ABl. EU Nr. L 184 S. 17; sog. Aktionärsrechterichtlinie), die bis zum 3. August 2009 in deutsches Recht umgesetzt werden muss.

3) Verbesserung der Präsenz in der Hauptversammlung

Neben der Option für eine elektronische Stimmabgabe enthält der Gesetzentwurf weitere Maßnahmen, die den Aktionären die aktive Wahrnehmung ihrer Rechte erleichtern. Aktionäre erhalten mehr Möglichkeiten, ihre Stimmrechte auszuüben, wenn sie nicht selbst an der Hauptversammlung teilnehmen wollen. Statt einen Vertreter zu beauftragen, kann der Aktionär auch per Brief von seinem Stimmrecht Gebrauch machen – vorausgesetzt, die Satzung der Gesellschaft lässt dies zu. Außerdem wird das sog. Depotstimmrecht der Banken grundlegend dereguliert und flexibilisiert. Das macht es für den Aktionär sehr viel attraktiver, eine Bank zur Stimmrechtsvertretung zu bevollmächtigen. Die Banken haben künftig folgende Möglichkeiten, sich eine Vollmacht für die Stimmabgabe erteilen zu lassen:

- Die Bank kann dem Aktionär eigene Abstimmungsvorschläge unterbreiten und stimmt in diesem Sinne ab, wenn der Aktionär ihr keine anders lautende Einzelweisung erteilt hat.

- Der Aktionär kann der Bank eine generelle Weisung erteilen und so die Richtung seines Abstimmungsverhaltens vorgeben. Er kann bestimmen, ob das Kreditinstitut stets im Sinne der Vorschläge einer bestimmten Aktionärsvereinigung oder alternativ im Sinne der Abstimmungsvorschläge der Verwaltung der Gesellschaft abstimmen soll. Das Kreditinstitut muss beide Varianten anbieten. So wird sichergestellt, dass der Aktionär eine bewusste Entscheidung darüber trifft, ob er tatsächlich bis auf Widerruf die Vorschläge der Verwaltung unterstützen will oder sich auf die Prüfung der Vorschläge durch eine Aktionärsvereinigung verlässt.

- Wird keine dieser Varianten gewählt und hat der Aktionär keine Einzelweisung erteilt, muss sich die Bank der Stimme enthalten.

4) Deregulierung bei der Sachgründung

Schließlich vereinfacht der Entwurf die Kapitalaufbringung von Aktiengesellschaften und verringert so den Verwaltungsaufwand bei den Gesellschaften. Künftig kann bei der Sachgründung auf eine externe Werthaltigkeitsprüfung z. B. von Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten, die auf einem geregelten Markt gehandelt werden, verzichtet werden, wenn diese mit dem Durchschnittskurs der letzten drei Monate bewertet werden.

Glossar

Anfechtungsklage: Beschlüsse der Hauptversammlung können wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung der Aktiengesellschaft durch eine Klage angefochten werden (§ 243 AktG).

Depotstimmrecht: Stimmrecht, das durch ein Kreditinstitut aufgrund einer Vollmacht ausgeübt wird (§ 135 AktG). Der Kunde kann die Bank durch eine ausdrückliche Weisung oder mittels einer Pauschalerklärung beauftragen, für ihn auf der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft abzustimmen.

Freigabeverfahren: Das gerichtliche Freigabeverfahren ermöglicht es, einen Hauptversammlungsbeschluss im Eilverfahren in das Handelsregister einzutragen, obwohl eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss erhoben wurde (vgl. §§ 246a, 319 Abs. 6, 327e AktG und § 16 Abs. 3 UmwG).

Räuberische Aktionäre: Aktionäre, die aktienrechtliche Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse nur deshalb anstrengen, um dadurch die Unternehmenspolitik einer Aktiengesellschaft erheblich zu stören und um sich anschließend die Klage gegen Gewährung erheblicher finanzieller Vorteile abkaufen zu lassen.

Bitte beachten Sie, dass der Referentenentwurf zunächst nur ressortintern ausgegeben wird und der Öffentlichkeit erst im Anschluss an die Ressortabstimmung zur Verfügung gestellt wird. ..."

Quelle: Pressemitteilung des BMJ vom 24.04.2008